Mors Certra, hora incerta – der Tod ist gewiss, die Stunde ist ungewiss – eine kleine Reise durch die Bestattungskultur.
Die Antike
Schon in frühester Zeit entwickelte sich der Totenkult in den verschiedenen Religionen und Kulturen unterschiedlich. Die Ägypter, Parsen oder Römer sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Die ägyptische Hochkultur erstreckte sich über den Zeitraum von 4000 v. Chr. – 300 v. Chr.
Besonders ausgeprägt war der Totenkult bei den alten Ägyptern. Reiche Funde machten Forscher im Niltal und in den Pyramiden. Künstlerisch gestaltete Totenschreine und Grabbeigaben dokumentieren das Ausmaß der Verehrung für die Verstorbenen. Dies zeigt, wie intensiv sich die Menschen mit dem Leben nach dem Tod beschäftigt haben.
Die Parsische Hochkultur: 10. Jahrhundert
Im Gegensatz zum ägyptischen Totenbrauchtum taucht im parsischen Totenkult die Vorstellung der rituellen Verunreinigung auf. Die Parsen sind die Nachfahren der Perser, die als Anhänger Zarathustras den arabischen Islam nicht annehmen wollten und im 10. Jahrhundert nach Indien ausgewandert sind. Die Zahl der heute im Gebiet von Bombay angesiedelten Parsen ist auf weniger als 100.000 zurückgegangen.
Als Verunreinigung galt die Berührung mit dem Leichnam, die nur durch umfangreiche Waschungen aufzuheben war.
Bestattungsplatz war der so genannte Dakhmah (Turme des Schweigens), eine Art Leichenturm, der weit außerhalb der Stadt lag. Auf einem hohen zylindrischen Gebäude wurden die Toten unbekleidet auf dem Dach niedergelegt und so den Geiern und sonstigen aasfressenden Tieren ausgesetzt. Erst nach vollständiger Skelettierung wurden die Gebeine im Untergeschoss des Leichenturmes verwahrt. Ähnliche Sitten und Gebräuche findet man auch bei den indigenen Völkern in Nordamerika.
Germanische Bestattungskultur: 50 v. Chr.
In der Frühzeit herrschten Feuerbestattungen vor. Die häufigste Grabart waren Urnengräber, wobei die verbrannten Überreste des Toten in einen Topf oder einen anderen Behälter eingesammelt und in einer kleinen Grube begraben wurden. Oder die ganzen Überreste des Scheiterhaufens wurden samt Grabbeigaben mit Erde bedeckt (Brandgrubengrab). Aus dem südlichen Skandinavien sind auch Körperbestattungen überliefert, so zum Beispiel die Wikinger, welche sich teils mit ihren Booten haben bestatten lassen. Der Glaube an eine Reise, oder einen Übertritt in ein Reich des Jenseits wie zum Beispiel Walhalla standen im Zentrum des Glaubens.
Römische Hochkultur: 753 v. Chr. – 285 n. Chr.
Der letzte Hauch des Sterbenden wurde durch einen nahestehenden Verwandten aufgefangen, dann wurden dem Toten die Augen geschlossen und der eingetretene Tod festgestellt, indem man den Toten mehrmals bei seinem Namen rief (conclamatio). Danach wusch und parfümierte man ihn und bekleidete ihn mit der Toga. Nach der Herrichtung des Verstorbenen stellte man ihn im Atrium des Hauses auf einem Paradebett zur Schau, die Füße gegen die Eingangstür gerichtet. Diese Aufbahrung dauerte drei bis sieben Tage.
Die Bestattung fand zwischen dem zweiten und dem achten Tag nach dem Tode statt. Der in seinem Sarg (capulum) oder auf einer Leihbahre (sandapila) liegende Tote wurde am Begräbnistag auf einer einfachen Bahre von den vespillones (Leichenträger/ Leichenräuber) zur Begräbnisstätte außerhalb der Stadt getragen. Verwandte und Freunde begleiteten ihn.
Frühes Mittelalter: 6.- 11. Jahrhundert
Jedoch ging diese Bestattungskulturen mit dem Niedergang der Antike und der danach einsetzenden Völkerwanderung vorerst gänzlich verloren, um sich dann ab dem 9. Jahrhundert mit der Entstehung der neuen europäischen Kultur des frühen Mittelalters langsam wieder neu zu entwickeln.
Die Bestattung der Toten hatte dann im Mittelalter eine sehr kirchliche Prägung. Sie erfolgte meist noch am Tag des Todes und unter gewissen Formalitäten, die dem Stand des Verstorbenen entsprechend sehr unterschiedlich waren: Gewöhnliche Menschen wurden ohne Sarg auf einem Brett liegend bestattet und in den Kleidern, in denen sie gestorben waren, der Erde übergeben.
Vornehmere Menschen wurden im Sarg beigesetzt, der bis ins 14. Jahrhundert
auch aus Stein bestand. Der Tote wurde von seinen Angehörigen zu Grabe getragen.
An der Beerdigung beteiligt war oft eine der zahlreichen Bruderschaften, die für diesen Zweck gegründet wurden. Diese waren einfache Zweckgemeinschaften von Männern, die gegenseitig die Beerdigungen der jeweils anderen „Brüder“ besuchten. Als weibliches Gegenstück zu den Bruderschaften gab es eine Reihe von Klageschwestern.
Siebte Werk der Barmherzigkeit: 12. Jahrhundert
Im Mittelalter wurde den sechs Werken der Barmherzigkeit ein siebtes hinzugefügt, nämlich das Totenbegraben – auch wenn die Bestattungskultur vorher schon ausgebildet war, bekräftigte das siebte und letzte Werk der Barmherzigkeit eine Grundpflicht des Christen. Es wurde als christlich-humanitäre Pflicht empfunden, einen Verstorbenen der Erde zurückzugeben, den Kreislauf des Lebens zu vollenden:
„Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.“ (Altes Testament, Genesis 3,19)
Mos teutonicus (der germanische Gebrauch) und Herzbestattung: 12.-14. Jahrhundert
Das Verfahren des „mos teutonicus“ kam bei einigen hochgestellten Personen zur Anwendung, die fern von dem für ihre Grabstätte bestimmten Ort gestorben waren, und sollte es ermöglichen, die Gebeine an ihren Bestimmungsort zu überführen, ohne dass während der Reise noch Verwesung eintreten konnte.
Insbesondere während der Kreuzzüge versuchte man, die Leichname gefallener Ritter möglichst mit allen Ehren beizusetzen. Wenn die Kreuzfahrer in ihre Heimat zurückkehrten, wurden besonders hochgestellte Tote oft exhumiert, um ihre Überreste in die Heimat zurückzubringen.
Bei Königsleichen wurde vor der Überführung ein Verfahren zur Haltbarmachung angewendet, das darin bestand, die Leiche „zu pökeln und kräftig auszukochen, um das Fleisch von den Knochen zu trennen“. Danach wurden die Knochen unter Bewachung in die Heimat überführt und dort erneut mit Gebeten bestattet.
Diese Art der Bestattung wurde durch praktische Gründe erzwungen, da es oftmals unmöglich war, einen Leichnam intakt an einen weiter entfernten Bestattungsort zu überführen. Die inneren Organe wurden an besonderen Orten, zum Beispiel im Hof einer Kapelle, beerdigt. Der Aufbewahrung und Unversehrtheit der Knochen wurde bis ins Spätmittelalter große Bedeutung beigemessen, da nach christlichem Glauben zum Jüngsten Gericht die Gebeine der Verstorbenen mit auferstehen würden. Im Mittelalter war dazu die Vorstellung weit verbreitet, dass die Gebeine dazu vollständig erhalten sein müssten.
Mit der am 18. Februar 1300 veröffentlichten Bulle Detestande feritatis verfügte Papst Bonifatius VIII. ein kirchliches Verbot, Leichname für Zwecke der Bestattung zu zerteilen oder zu kochen, da er dies als „Missbrauch“ ansah. Das Verfahren blieb jedoch auch in der Folgezeit bei Feld- und Kriegszügen noch längere Zeit in Gebrauch, da man Wert darauf legte, die sterblichen Überreste der Vornehmen dort zu haben, wo man sich angemessen darum kümmern konnte. Schließlich begünstigte das päpstliche Verbot des mos teutonicus die Suche nach geeigneten Verfahren zur wenigstens übergangsweisen Konservierung von Leichen. Die getrennte Herzbestattung nahm dabei institutionelle Formen an, die besonders bei den katholischen Herrscherhäusern bis in die Neuzeit weiterlebte.
Beispiel:
Der Sarkophag Ludwigs II. befindet sich in der Gruft der Wittelsbacher in der Michaelskirche, während die Urne mit seinem Herzen – der Familientradition gemäß – am 16. August 1886 in die Gnadenkapelle in Altötting gebracht wurde.
Beginen und Totenfürsorge: 14.-15. Jahrhundert
In erster Linie versorgten die Beginen (fromme Ordensfrauen mit Ursprung im belgisch-flämischen Raum) Kranke und Sterbende und begleiteten diese auch spirituell mit Trost und Pflege in den letzten Stunden ihres Lebens – der Beistand in der Sterbestunde war ebenso wichtig wie die anschließende leibliche Sorge um den Toten.
Der zuständige Priester oder Ordenspriester erteilte dem Sterbenden die Letzten Sakramente – eine der Aufgaben, die die Beginen nicht übernehmen durften. Nach dem Tod wuschen die Beginen den Leichnam, nähten ihn in ein Leintuch und legten ihn in den Sarg.
Auswirkung der Reformation: 16.-18. Jahrhundert
Im Protestantismus wurde das Heil der Verstorbenen allein Gott überantwortet. Das Fegefeuer wurde verworfen und somit verlor auch die tätige Fürbitte der Lebenden für die Verstorbenen und die Nähe zum Heiligen ihre Bedeutung. Dies konnte nicht ohne Folgen im Bestattungsbrauch bleiben. Durch die Reformation mit ihrer Ablehnung der postumen Fürbitte war der Weg zu einer Trennung von Kirche und Begräbnisplatz frei geworden.
Luther selbst schrieb 1527:
Dennoch kann hier keineswegs von einem massenhaften Phänomen gesprochen werden. Die meisten der neuen Friedhöfe trugen zu Recht den abwertenden Namen Gottes-„Acker“. Planlos, zum Teil verwahrlost, lagen sie vor den Städten, was im Kontext des 30jährigen Krieges nicht unbedingt verwunderlich war. Die wohlhabenden städtischen Familien lehnten auf viele Jahrzehnte hinaus die außerstädtischen Friedhöfe ab und beharrten auf ihren traditionellen Kirchengräbern.
Im laufe dieser Jahrhunderte entstehen die ersten Vorgänger Berufungen des heutigen Bestatters. Wie Totengräber, Leichenfrauen, Totenfrau oder Leichenwäscherinnen. Im Laufe dieser Entwicklungen entfernten sich Kirche und Familie von ihrer bisher zentralen Rolle der Bestattung und Totenfürsorge. Die Erdbestattung war nach wie vor die gängigste Bestattungsform.
Beginn der Bestattungsdienstleistung und Professionalisierung des Gewerkes: 19. Jahrhundert
Der Beruf des Bestatters entwickelte sich im 19. Jahrhundert mit dem Profil, wie wir es heute kennen. Eine datierbare, genaue „Geburtsstunde“ gibt es nicht, dafür ist die Entwicklung dieses Berufsbildes zu komplex. Zu den Wegbereitern des Bestattungsgewerbes zählten vor allem die Kommunalisierung der Bestattung im frühen 19. Jahrhundert, die Hygiene-Bewegung sowie die Einführung der Gewerbefreiheit nach französischem Vorbild: ab 1810 zunächst in Preußen, 1869 im Norddeutschen Bund und ab 1871 im deutschen Reichsgebiet. Diese Entwicklung eines Gewerbes bzw. Berufes bündelte zunehmend verschiedene Berufszweige.
Moderne Bestattungskultur
Heute ist der Bestatter der moderne „Spezialist des Todes“ der nahezu fast alles erledigt, was zu einer Bestattung gehört. Der Imagewandel reicht von der „unehrlichen“ Randfigur des Totengräbers der mittelalterlichen Gesellschaft hin zum geachteten Dienstleister des 21. Jahrhunderts, der dem Verstorbenen ein würdiges Begräbnis sichert.
Der Bestatter ist Bewahrer unserer über 1000-jährigen mitteleuropäischen Bestattungskultur und damit ein unverzichtbarer Teil unserer abendländischen Kultur überhaupt.
Der Wandel unserer Bestattungskultur schreitet auch in der Neuzeit stetig voran. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich beispielsweiße die gängigste Bestattungsform von der Erd- zur Feuerbestattung gewandelt. Durch z.B. dezentralerer Familienbünde wird auch ein Wunsch nach neuen Formen der Beisetzung bzw. der Gräber selbst laut. Sogenannte Sammelgrabstätten, anonyme Grabanlagen oder pflegefreie Grabanlagen prägen nun immer mehr die Gestaltung unserer Friedhöfe.